Tagebuch Moldawien - Tag 1

Tagebuch Moldawien - Tag 1

Am Morgen wurden wir von den leitenden Projektpartnern von ora Moldawien abgeholt. Sie begleiteten uns während unseres gesamten Aufenthalts und übersetzten alles ins Deutsche.

Unser erster Besuch führte uns in die Kindertagesstätte "Benevolentia", in der 70 Kinder wöchentlich einen Zufluchtsort finden. Hier gibt es zwei bis drei Betten für Notfälle – für Mütter mit Kindern, die zu Hause Gewalt erfahren. Kürzlich fanden auch ukrainische Flüchtlinge hier Schutz.

Die Kinder tanzten für uns und luden uns ein, gemeinsam mit ihnen einen traditionellen Tanz zu lernen. Danach stellten sie uns neugierige Fragen: Welche Haustiere wir haben, was unsere Hobbys sind oder wie wir heissen.

Während unseres Aufenthalts in der Kindertagesstätte erfuhren wir die Geschichte einer Familie, deren neun Kinder hier mehrmals wöchentlich zu Besuch sind. Die Eltern sind alkoholkrank, die Fenster des Hauses kaputt, und nur ein einziger Raum wird – sporadisch – beheizt. Der Vater arbeitet stundenweise im Wald, die Mutter gar nicht. Die älteste Tochter (17) trägt die Verantwortung für den Haushalt und für ihre jüngeren Geschwister.

Unser nächster Halt war das Kinderzentrum "Walkerhaus", das rund 80 Kinder im Alter von 4 bis 17 Jahren besuchen. Das gesamte Inventar stammt aus Spenden. Besonders beeindruckend war das kleine Nähzimmer: Wenn genügend Spenden eingehen, würden dort Nähkurse angeboten werden, um den Menschen eine Chance auf Arbeit in einer Fabrik zu ermöglichen. Eine kleine Initiative mit grosser Wirkung – wenn die Mittel vorhanden sind.

Zum Abschluss unseres Tages besuchten wir ein Altenheim. Abgelegen und mit spärlichen Mitteln ausgestattet, leben hier ältere Menschen auf zwei Etagen für ca. 300 CHF im Monat. Es gibt nur ein Badezimmer und eine Dusche für alle im EG. Einen Lift gibt es nicht. Das Mobiliar ist alt, der Geruch erdrückend – denn das Heizen ist so kostenintensiv, dass kaum gelüftet wird. Wir spürten eine Leere in uns, trotz der Freundlichkeit der Angestellten. Es fühlte sich an, als würde die Zeit hier langsamer vergehen, als hätten die Tage ihr Licht verloren. Es wirkte, als seien die Menschen hier nur noch, um zu sterben. Besuche sind selten, denn viele Kinder arbeiten im Ausland und können nicht zurückkehren, selbst wenn ein Elternteil verstirbt. In diesen Fällen übernehmen die Heimleiterinnen die Organisation der Beerdigung.
Als wir durch die Gänge gingen, öffnete sich eine Tür. Ein älterer Herr bemerkte unseren Besuch und schaute neugierig heraus. Später sahen wir ihn wieder – herumlungernd.

Trotz all dieser Schicksale wurden wir überall mit offenen Armen empfangen. Überall standen Essen und Wein für uns bereit – fast jede Familie hier produziert ihren eigenen. Diese Gastfreundschaft, trotz aller Entbehrungen, hat uns tief bewegt. Unser erster Tag in Moldawien war voller Eindrücke, die uns noch lange begleiten werden.

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